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::: Zwischen Panama und Millerntor

(von 2001)

Siggi Reimer - ein Portrait

Zeugwart Bubu kennt jeden, und jeder kennt Bubu. Doch wer ist eigentlich Siegfried „Siggi“ Reimer? Der 68-Jährige erfüllt am Millerntor die Aufgaben eines Hausmeisters, doch den Titel „Materialwart“ hört er lieber. „Das steht auch auf den Anforderungszetteln die hier so bei mir eintrudeln“, stellt der gebbürtige St.Paulianer richtig.

Als gelernter Klempner heuerte er zunächst als Reiniger an und fuhr zur See. Mit glänzenden Augen erzählt er: „Zunächst nur in der kleineren und mittleren Seefahrt, später durchfuhr ich sogar den Panamakanal“.

Knapp 30 Jahre war das Wasser sein Zuhause, bis ihn ein schrecklicher Unfall 1985 zur Frührente zwang. „Ich bin beim Anlegen eines Schleppers zwischen Bordwand und Kaimauer gefallen“, erzählt Siggi Reimer. Doch hatte er „Glück im Unglück“ – er überlebte das Horrorszenario mit einer schweren Schulterverletzung, die ihn 1989 endgültig in den Ruhestand versetzte. Überhaupt die Krankheiten: Zwei Herzanfälle 1994 und 95 mit anschließender Operation lähmten den einst so rüstigen Mann in seiner Agilität.

„Nach dem ich mich einigermaßen erholt hatte, fiel mir zuhause schon bald die Decke auf den Kopf. Ich wollte und musste wieder etwas sinnvolles machen. Dann hörte ich die schreckliche Geschichte von Gerald Asamoah, der ja auch schwer am Herzen erkrankt war und dem die Ärzte eigentlich das Fußballspielen untersagt hatten“. Doch bekanntlich kehrte der Kicker schnell wieder auf den Platz zurück und erzielte einen Treffer nach dem anderen. „Sein Beispiel sollte in mir neue Kräfte wecken“, erzählt Siggi fröhlich weiter.

Einen direkten Bezug zum Fußballsport hatte Siegfried Reimer schon lange. „Wenn man wie ich hier auf dem Kiez aufwächst, kommt man gar nicht am FC St. Pauli vorbei. Erst recht nicht, wenn man dauernd mit Leuten wie Kuddl Miller zusammen war. Ich kenn’ ja noch die halbe Mannschaft die damals vom Dresdener SC hierher kam“, erinnert sich Siggi gern an die legendäre Wunderelf.

Als ihn sein Sohn – ebenfalls ein langjähriger FC-Anhänger – eines Tages auf eine Annonce im Wedeler Tageblatt hinwies, in der der FC St. Pauli einen Hausmeister suchte, bewarb sich Siggi kurzerhand um die vakante Stelle. „Als ich nach ein paar Wochen nichts vom Verein gehört hatte, rief ich eben dort an. Ganz erstaunt fragte Frau Guse (damalige Präsidiumsassistentin) mich, ob ich denn wirklich noch Interesse an dem Job hätte. Als ich bejahte, ging dann alles sehr schnell und am nächsten Tag unterschrieb ich schon meinen 630-Mark-Vertrag.“, freut er sich noch immer über seinen gelungenen beruflichen Wiedereinstieg mittels Eigeninitiative.

Das war im September 1999. Seitdem kümmert sich Siggi darum, dass die Jugendmannschaften beim Training auf den Grantplätzen an der Feldstraße immer optimale Bedingungen vorfinden. „Dazu gehört nicht, dass ich denen die Bälle dahin schleppe – die sollen ruhig mit anpacken, wenn sie Eckfahnen oder Hütchen brauchen. Einigen muss man doch mal ihre Grenzen aufzeigen. Ich bin fürs Material verantwortlich - und nicht deren Packesel!

Vielmehr als aufmüpfige Jugendliche ärgern ihn allerdings Nazischmierereien am Container in der Nordkurve. „Gerade wenn man in der damaligen Zeit aufgewachsen ist, sieht man so etwas mit ganz anderen Augen“, entrüstet sich der 1932 Geborene und ein bitterer Unterton in seiner Stimme lässt erahnen, wie ihm zumute ist.